Das vom Scharfrichter entdeckte Drachenweib
Miene aus Mölsen diente als junges Mädchen bei einem Bauern in Döbris. Dort kam es öfters vor, dass die Sahne von den Rahmschüsseln abgeschöpft war und morgens die Kühe ausgemolken waren. Sie meinten, das könne nur ein Drache getan haben. Da musste etwas geschehen. Der Bauer schickte also seinen Knecht nach Zeitz zum Scharfrichter und Wasenmeister Wahl. Der kam auch schnell mit zwei Gehilfen nach Döbris. Er besah sich den Hof genau und murmelte dann einige Sprüche. Die Bauern mussten nun auf sein Geheiß alle Ställe ausmisten und den Dung auf einen großen Haufen werfen. Inzwischen holten sich Meister Wahl und seine Gehilfen oben vom Teiche kräftige gegabelte Ruten, die man Zwisseln nannte. Bald darauf begannen die drei, damit den Mist zu peitschen, immer rings herum wie die Drescher. Sie gerieten bei der Arbeit tüchtig in Schweiß, hatten aber Erfolg; denn sie hörten ein Wimmern und Winseln und Heulen und wussten, woher das kam. Auch die Bauersleute, die in der Haustür standen und dem Treiben zuschauten, ahnten es. Das Peitschen ging so lange, bis das Gewimmer verstummte. Dann stärkten sich Meister Wahl und seine Gehilfen durch ein kräftiges Mahl. Während sie am Tische saßen, kam der Junge einer Frau, die bei dem Bauern half, und bestellte, seine Mutter könne nicht zur Arbeit kommen; sie sei die Treppe hinuntergefallen und habe sich ein Bein gebrochen. Nun wussten alle, wer der Drache war und wer so viel auf dem Hofe gestohlen hatte. Fortan hörte das Stehlen auf.
lg Barock